Rechtswissenschaftliche Untersuchungen zu Sicherheitsstrategien und –technologien auf dem Gebiet der Flughafen- und Luftsicherheit

Vor dem Hintergrund der Anschläge vom 11. September und weiterer terroristisch motivierter Attentate, denen eine gänzlich neue Qualität der Motivation und Tatbegehung innewohnt, stellt die Intensivierung von Sicherheitsmaßnahmen, vor allem auf dem Gebiet der Flughafen- und Luftsicherheit, unter Zuhilfenahme technischer Innovationen, wie beispielsweise der Verwendung von Körperscannern, des Abgleichens biometrischer Pässe, der Videoüberwachung sensibler Bereiche, risikobasierter Passagierkontrollen in Verbindung mit Profiling-Maßnahmen oder des Auswertens von Passenger Name Records, einen logischen Schritt hin zu einer effizienteren Gefahrenabwehr dar.

Beim Einsatz IT-basierter Sicherheitstechnologien darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass diese zwar zu einer Erhöhung des Sicherheitsniveaus beitragen, aber gleichzeitig die Gefahr einer verfassungswidrigen Beschneidung bürgerlicher Freiheits- und Gleichheitsrechte intensivieren können. Ob die angewendeten Sicherheitslösungen noch im Verhältnis zum Zwecke der Gefahrenabwehr stehen und als verfassungsmäßig erachtet werden können, hängt zum einen maßgeblich von den Vorgaben durch Grundrechte und Rechtsstaatsprinzip und zum anderen davon ab, welche Einschnitte unsere Gesellschaft in ihre Rechtssphäre zu akzeptieren bereit ist, ohne hiergegen gerichtlich vorzugehen. Da Zulässigkeit und Akzeptanz der genannten Technologien ungenügend erprobt sind, begründen die neuen Sicherheitsstrategien sowohl bei der audience, d.h. dem durch die Maßnahmen betroffenen Personenkreis, als auch bei den die Maßnahmen ausübenden und vollziehenden Behörden und Beliehenen, den securitizing actors, ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit, das durch den jeweiligen Gesetzgeber noch verstärkt wird.

Exemplarisch sei hier auf die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung verwiesen, die anfangs noch von einem Großteil der Mitglieder des Europäischen Parlaments getragen wurde und damit als Zeichen weitgehender Akzeptanz der damit einhergehenden Beschneidung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung angesehen werden konnte. Jedoch indizierte bereits die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einiger nationaler Umsetzungen, darunter auch der deutschen, einen möglichen Richtungswechsel zugunsten der Freiheitsrechte, der seinen Ausdruck in einer erneuten Prüfung der Vorratsdatenspeicherung durch die Europäische Kommission fand. Dem gegenüber steht nun wiederum das aktuelle Vorhaben der EU, auf dem Gebiet der Flughafen- und Luftsicherheit verdachtsunabhängige Fluggastdaten zu sammeln und auszuwerten. Als Paradebeispiel für den Kampf um einen neuen Kurs stehen auf nationaler Ebene die Vorschläge zur Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht, wo sich die Befürworter einer Speicherung nur bei konkreten Anlässen den Anhängern einer verdachtsunabhängigen Sicherung von Daten gegenüberstehen.

Darüber hinaus wird eine Abkehr vom bisher verwendeten, reaktiven Ansatz im Sicherheits- und Gefahrenabwehrrecht angestrebt, der von einem proaktiven, risikobasierten Ansatz abgelöst werden soll. So sollen potentielle Täter oder Gefahrverursacher noch vor dem Erreichen der Gefahrenschwelle identifiziert und unschädlich gemacht werden. Zwar richtet sich auch in diesem Fall die polizeiliche Eingriffsbefugnis nach einer, auf einer Tatsachengrundlage basierenden Prognoseentscheidung, jedoch ist diese weit weniger konturiert als bei der klassischen Gefahrenabwehr. Außerdem gibt es noch keine gesicherten Erkenntnisse darüber, ob proaktive Maßnahmen tatsächlich die an sie gerichtete Erwartung als Garant eines erhöhten Schutzniveaus erfüllen oder lediglich das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung als einen wesentlichen sozio-kulturellen Faktor der Securitization stärken. Fest steht allerdings schon jetzt, dass eine genaue Bestimmung derjenigen Massengrundrechtseingriffe, die zur vorbeugenden Bekämpfung erforderlich sind, sich nur sehr schwer mit hinreichender Sicherheit bewerkstelligen lässt und solche Maßnahmen deswegen Angriffsfläche insbesondere hinsichtlich des Gesetzesvorbehalts, des Bestimmtheitsgebots sowie der Verhältnismäßigkeit bieten. Dies spiegelt sich auch in den häufigen Misserfolgen des nationalen Gesetzgebers bei Versuchen wider, dieser proaktiven Zielrichtung mehr Schärfe zu verleihen.

Um die aufgezeigten (rechtlichen) Unsicherheiten beim Einsatz IT-gestützter Sicherheitslösungen zu minimieren, möchte das Teilprojekt SIRA-Recht die zu Sicherheitstechnologien ergangene Rechtsetzung und Rechtsprechung auf ihre Reichweite und sowohl durch eine quantitative wie auch qualitative Analyse hiergegen angestrengter Gerichtsverfahren, als auch durch den Einbau der Auswertungen der Ergebnisse der Teilprojekte TP1/Theoretischer Rahmen, TP2/Neue (Un-)Sicherheiten im zivilen Luftverkehr und TP7/Der Einfluss institutioneller Regimes auf die Billigung sicherheitspolitischer Maßnahmen auf ihre Akzeptanz hin analysieren, aus den so extrahierten Ergebnissen Trends ableiten und mit deren Hilfe Mindeststandards begründen. Diese wiederum sollen den rechtlichen Aktionsrahmen konturieren, innerhalb dessen sich die beteiligten Akteure (securitizing actors und audiences) bewegen können, und Anhaltspunkte liefern, um mit diesen die Rechtmäßigkeit des Einsatzes zukünftiger Technologien zur Versicherheitlichung (securitizing moves) abzuschätzen. Mit Hilfe dieses Aktionsrahmens lassen sich sozio-kulturelle Einflussfaktoren aus einer juristischen Dimension heraus bestimmen und rechtlich bewerten. Dadurch kann der theoretische Rahmen des Securitization Plus-Ansatzes konkretisiert werden.

Ansprechpartner:

Ass. iur. Philipp Rosch, LL.M.
Universität der Bundeswehr München
Fakultät für Staats- und Sozialwissenschaften
Lehrstuhl für Öffentliches Recht (Prof. Dr. Kathrin Groh)
Werner-Heisenberg-Weg 39
D-85577 Neubiberg
Tel.: +49 89 6004 – 2744
Fax: +49 89 6004 – 4691
Email: philipp.rosch@unibw.de
Web:http://www.unibw.de/sowi/institute/recht
 

Projektleitung:

Prof. Dr. Kathrin Groh
Universität der Bundeswehr München
Fakultät für Staats- und Sozialwissenschaften
Lehrstuhl für Öffentliches Recht
Werner-Heisenberg-Weg 39
D-85577 Neubiberg
Tel.: +49 89 6004 – 3864
Fax: +49 89 6004 – 4691
Email: kathrin.groh@unibw.de
Web: http://www.unibw.de/sowi/institute/recht
 

 

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